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Stadttheater Schaffhausen – Start in die neue Saison

13.09.2023 | QLT Redaktion

Der Gott des Gemetzels |DI 31. OKT | 19:30 Uhr |Foto: Bernt Haberland

Die Geschichte des Stadttheaters Schaffhausen beginnt mit dem Schaffhauser Kaufmann Johann Conrad Im Thurn (1809–1882), welcher mit einem eigenen Handelshaus in London zu großem Reichtum gelangt war. Im Thurn gründete 1864 eine Stiftung in seinem Namen, die »der ästhetischen und wissenschaftlichen Ausbildung der Jugend« dienen sollte. Aus dem Stiftungskapital wurde das erste Schaffhauser Stadttheater gebaut. Das Gebäude beherbergte die Musikschule und einen Konzert- und Theatersaal und wurde am 16.1.1867 mit Friedrich Schillers Schauspiel »Die Jungfrau von Orleans« eingeweiht. Der Spielplan des ersten Jahres reichte von Shakespeare über Goethe und Schiller bis zu beliebten Possen mit Gesang und Tanz. In die Besucherabonnements, die damals schon bestanden, waren auch die Konzerte des Musik-Collegiums einbezogen. Später verband sich das Theater u. a. mit deutschen Städten zu Gastspielgemeinschaften, die von derselben Truppe bespielt wurden. Ab 1933 unterhielt das Stadttheater ein eigenes Ensemble, 1937 beschloss die Stadt, zu einem Gastspielbetrieb zurückzukehren. Wegen Bauschäden musste das Haus 1952 geschlossen werden. 1953 gaben die Stimmbürger grünes Licht für einen Neubau. Am 13.10.1956 wurde das neue Stadttheater mit einer Aufführung von Aischylos‘ »Die Orestie« durch das Schauspielhaus Zürich eingeweiht. Seither finden im Stadttheater jeweils von September bis Mai jährlich rund 80 Schauspiel,- Musiktheater,- Kinder- und Tanztheatervorstellungen mit Künstlern und Ensembles aus der ganzen Welt statt. Am 16. Januar 2017 hat das Stadttheater seinen 150. Geburtstag gefeiert!

Bei den Schauspielproduktionen startet die Saison 23/24 am 26.9. mit einem Musiktheater nach Carl Maria von Weber: Der Freischütz – Jäger & Gejagte. Die Uraufführung von »Der Freischütz« im Jahr 1821 gilt als Geburtsstunde der deutschen romantischen Oper. Auch wer wenig mit Oper im Sinn hat, wird in Umrissen die Geschichte um Freikugeln, Probeschuss und Teufelsschlucht kennen, und jeder Opernfreund hat das Hörnerthema der Ouvertüre, die große Arie des Max oder die Cavatine der Agathe im Ohr – vom »Jungfernkranz«, dem Superhit der Biedermeierzeit, ganz zu schweigen. Mit diabolischem Humor, pointierten Dialogen und erbarmungsloser Treffsicherheit spießt Yasmina Reza (*1959) am 31.10. in »Der Gott des Gemetzels« die moderne bürgerliche Gesellschaft auf, die hin- und hergerissen ist zwischen vernünftiger Aufgeklärtheit und egoistischem Konkurrenzkampf. Zwei elfjährige Buben haben sich auf dem Schulhof geprügelt. Nun treffen sich die beiden Elternpaare zum klärenden Gespräch. Es beginnt freundlich und zurückhaltend. So watteweich man sich auch geben kann, am Ende behält einer die Oberhand: Der Gott des Gemetzels. 2006 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt, wurde es zu Rezas bekanntestem Werk, nicht zuletzt durch Roman Polanskis Verfilmung mit Kate Winslet, Jodie Foster und Christoph Waltz.

Unter Tanzfans lösen allein schon die Namen auf dem Besetzungszettel Bewunderung aus. Denn »The Seven Sins« ist wahrlich eine Produktion der Superlative und vereint am 16.11. die absolute »Crème de la Crème« aktueller internationaler Choreografinnen und Choreografen. Jede und jeder von ihnen hat für Gauthier Dance eine Todsünde in ein Tanzstück verwandelt. Das Ergebnis: ein Tableau der Ruchlosigkeit, bestehend aus sieben Uraufführungen von Aszure Barton, Sidi Larbi Cherkaoui, Sharon Eyal, Marcos Morau, Sasha Waltz sowie den beiden Artists-in-Residence von Gauthier Dance, Marco Goecke und Hofesh Shechter. Opera Buffa vom Feinsten steht am 19.12. auf dem Programm. Figaros Hochzeit von Wolfgang Amadeus Mozart wird gerne als das brillanteste Werk im gesamten Opernrepertoire Mozarts angesehen. Die Kammeroper München präsentiert Mozarts erotische Opernkomödie über das menschliche Scheitern in einer rasanten Fassung und in deutscher Sprache.

Am 18.1. startet die Kibbutz Contemporary Dance Company II: »360°« mit einem Tanztheater von Rami Be‘er in das neue Jahr. Fröhlich und ausgelassen geht es zu auf der Bühne, auf der 14 hochkarätige Akteurinnen und Akteure zum Bewegungserlebnis einladen. »Fräulein Julie« (27.2.) ist das meistgespielte Stück des schwedischen Dramatikers August Strindberg (1849–1912). Die Ausweglosigkeit der beiden Hauptfiguren, ihr Ringen um Freiheit und Perspektive und der Kampf zwischen Mann und Frau, der letztlich zum Kampf mit sich selbst führt, machen »Fräulein Julie« zu einem Klassiker der modernen Beziehungsdramatik. Ein »politisch nicht ganz korrekter« Angriff auf die Lachmuskeln steht uns am 23. & 24.3. mit Monsieur Claude und seine Töchter bevor, der Komödie nach dem gleichnamigen Film von Philippe de Chauveron & Guy Laurent. In Zeiten zunehmender Fremdenfeindlichkeit und religiöser Ausgrenzung liefert das Stück auf sympathische und humorvolle Weise Denkanstöße für Toleranz und ein friedliches Miteinander. Am 9.4. wird Fabian – Der Gang vor die Hunde aufgeführt: In dem 1931 erschienenen Roman von Erich Kästner (1899 –1974) bildet er eine Gesellschaft ab, deren Moral mehr und mehr zerfällt. Einhundert Jahre später, in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts, findet sich die globale Gemeinschaft angesichts von Propaganda und Desinformation sowie dem Krieg in Europa in einer ähnlich spannungsgeladenen Atmosphäre. Auch heute müssen unsere moralischen Grundsätze neu befragt und verteidigt werden. Im Rahmen des Internationalen Bachfests Schaffhausen wird am 11.5. Goldberg Move – Bach goes Breakdance- aufgeführt. Die Tänzer der DDC Entertainment Group – zweifache Breakdance-Weltmeister – übersetzen Bachs zeitlose Musik in sinnlich-energiegeladene Bewegungen voller Poesie und Humor.

In jeder Saison entwickelt das Stadttheater gemeinsam mit einer spannenden Künstlerpersönlichkeit aus dem Bereich der Fotografie die Sujets für die Stück- und Monatsplakate. In der Saison 23/24 ist die Tessinerin Christina Dominguez die Kreateurin der Illustrationen dieser Spielzeit. Für die Entwicklung der Plakatsujets arbeitete sie mit der KI-gesteuerten Bildkreationssoftware »Stable Diffusion«. KI steht für »Künstliche Intelligenz« und die Verwendung von KI bei der Erstellung von Kunstwerken lässt die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen. Die Arbeit mit KI-Software ermöglicht es, Künstlerinnen und Künstlern, komplexe visuelle Bilder zu erschaffen, die mit herkömmlichen Techniken schwer oder sogar unmöglich umzusetzen wären. Cristina Dominguez hatte sich bei dieser Herangehensweise nicht darauf konzentriert, eine möglichst perfekte Imitation von gewohnten Darstellungsformen zu erschaffen, sondern ließ sich bewusst auf die Auseinandersetzung ein. Genau diese ungewohnten und abstrakten »Erfindungen« der KI lassen sich als kreatives Potential betrachten. Wenn Mensch und Maschine zusammenarbeiten, kann tatsächlich etwas gänzlich Neues entstehen.
  
www.stadttheater-sh.ch