sprich:[kult] Kultblatt seit 1979
02.07.2025 | QLT Redaktion
Einen ganz besonderen Blick auf textile Bilder wirft die neue Ausstellung »Gib Stoff! Textile Bilder im Raum« im Gewerbemuseum Winterthur bis zum 2.11. dieses Jahres.
Textilien prägen unseren Alltag, sie kleiden, schützen, schmücken und verhüllen. Gleichzeitig können sie Bildträger sein und werden als lesbare Zeichen und visuelle Erzählungen Teil einer verflochtenen Kommunikation. »Gib Stoff!« zeigt aktuelle Arbeiten der renommierten Schweizer Textilschaffenden Stéphanie Baechler, Christoph Hefti und Sonnhild Kestler. Gemeinsam ist ihnen der frühere Schwerpunkt des Textildesigns für Modestoffe. Ihre individuellen Wege der letzten Jahre führten jedoch alle drei weg von der Mode hinein in den Raum, in größere Formate und andere Dimensionen des Textilen. Die Ausstellung erkundet die Welt von großformatigen Textilbildern, die sich zwischen Funktionalität, Kunst und Raumerlebnis bewegen. Die gedruckten, gewobenen, geknüpften und gestickten Arbeiten zeigen die unterschiedlichen Arbeitsweisen der drei Textilschaffenden, ihre handwerkliche Raffinesse, ihre Suche nach Bildhaftigkeit und nach der Wirksamkeit von Materialien. »Gib Stoff!« präsentiert ihr räumliches und textiles Schaffen in neu inszenierten Kombinationen, spürt ihren Entwurfs- und Entstehungsprozessen nach und gewährt auch Einblick in ihre Inspirationsquellen und Bildwelten.
Sonnhild Kestler
Sie bereichert das textile Handwerk und ist Meisterin des Siebdrucks, der ihre Bildsprache geprägt hat. Anlässlich der Verleihung des Schweizer »Grand Prix Design 2010« an Sonnhild Kestler fiel in einer Beschreibung der Begriff »Kestler-Kosmos«. Die eigenwillige und unverkennbare Bildsprache, die diesen Kosmos seit über 30 Jahren prägt, ist eine flächig abstrahierte Motivik, die sich ausladend über Kleidungsstücke, Teppiche, Frotteetücher und Polsterstoffe zieht. Immer denkt sie vom Handwerk aus, forscht aber materialtechnisch weiter, lotet Grenzen aus und lässt auch den Zufall entscheiden. Sie setzt sich spielerisch mit Farben, Materialien und Produktionsmöglichkeiten auseinander. Ihre Entwürfe entstehen in einer spezifischen Kompositionstechnik aus bedruckten Papieren. Diese setzt sie in den jeweils konzipierten Verfahren in Textilien um. Anregungen gewinnt sie unter anderem aus ihren Reisen in andere Kulturen. So sind ihre Werke inspiriert von der Folk-Art, der Ostblock-Ästhetik, asiatischer Kunst, traditionellen indischen Textilien, religiös motivierten Bildsprachen und der Alltagskultur. Daraus werden seit ein paar Jahren auch Raumbilder. Beweglich und in spontanen Kombinationen überträgt sie ihre narrative Motivik von der einen in die andere Dimension und kreiert aus ihrer unverkennbaren, beständigen Bildsprache immer wieder Neues. Die Ausstellung zeigt diesen Textilkosmos, der für den Körper ebenso wie für den Raum geschaffen ist, präsentiert aber auch Inspirationsquellen und Arbeitsprozesse. So wird im Gewerbemuseum Winterthur die verfeinerte, vielseitige Handarbeit wie auch das großartige Formenspiel aufgezeigt.
Christoph Hefti
Er ist ein Geschichtenerzähler und unermüdlicher Erschaffer ausdrucksstarker Atmosphären. Die Bildwelten des Textildesigners und Künstlers bewegen sich oft im Bereich des Mystischen oder gar Unheimlichen. Figuren, Tiere und Fabelwesen beleben Szenerien in Fantasielandschaften aus Wäldern, Flüssen und Vulkanen. Wiederkehrende Motive wie überdimensionale Augen und eindrucksvolle Masken richten sich direkt an die Betrachtenden und ziehen in den Bann. Seine Liebe zu handgefertigten Textilien hat ihn unter anderem nach Nepal geführt, wo er regelmäßig seine eigene Serie handgeknüpfter Teppiche entwirft und entwickelt. Dort entdeckte er auch die direkte Interaktion zwischen Design und ausführenden Manufakturen wieder und war fasziniert vom Einbezug des tradierten Handwerks in einem zeitgenössischen Kontext. Das Erzählen von Geschichten in Teppichen hat eine lange Tradition, die er aufnimmt und mit seiner eigenen Erlebniswelt belebt. Er setzt aber auch modernste Digitalprint-Techniken ein, um fantastische Vorhangstoffe mit großformatigen Motiven und Rapporten herstellen zu lassen. Oder er setzt sich selber an die Nähmaschine und kreiert raumhohe Patchwork-Arbeiten. Die Ausstellung zeigt neben aktuellen Arbeiten aus den letzten Jahren auch ganz neue, eigens für die Schau im Gewerbemuseum Winterthur angefertigte Werke von Christoph Hefti in installativen Kompositionen. Zusätzlich geben seine Skizzenbücher, Entwurfszeichnungen und Inspirationsquellen Einblicke in sein Schaffen.
Stéfanie Baechler
Das Schaffen der multidisziplinären Künstlerin Stéphanie Baechler findet hauptsächlich an der Schnittstelle von Textil und Keramik statt. Sie bewegt sich heute zwischen dem, was sie Hardware (Keramik und Metallguss) und Software (Textil) nennt. Der Begriff »Bilderfahrzeuge« des Kunsthistorikers Aby Warburg war ein Ausgangspunkt für das Projekt, das Stéphanie Baechler 2022 während eines Residence Programms der Pro Helvetia in Kairo realisiert hat. In ihrer aktuellen künstlerischen Arbeit hinterfragt sie die Beweggründe, die dem ständigen Bedürfnis der Menschen nach Anerkennung in der allgegenwärtigen Social-Media-Landschaft zugrunde liegen. Durch ihre Arbeit mit Textilien, Stickereien und Keramiken untersucht Baechler die sinnliche Erfahrung, die aufgrund der heutigen Technologien immer seltener wird. Die Bildmotive ihrer Arbeiten sind sehr unterschiedlich, sie reichen von Blumenvorlagen für historische Stickmotive für Taschentücher über fotografisch festgehaltene Eindrücke von Abbruchgebieten in Kairo bis zu Zeichnungen von Stickmaschinen, die in einem Workshop des Ateliers Creahm in Freiburg von Menschen mit Behinderungen, die über künstlerische Fähigkeiten verfügen, entstanden sind. »Gib Stoff!« konzentriert sich auf neuere Arbeiten aus Stéphanie Baechlers installativem Werk. Skizzenbücher, Modelle, Anregungen und Statements erläutern ihre Ansätze und Arbeitsweisen.