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12.03.2025 | QLT Redaktion
Nach der Niederlage des Ersten Weltkriegs und dem Scheitern des expressionistischen Aufbruchs entstand zu Beginn der 1920er Jahre eine neue Kunstrichtung, die ohne Pathos und idealistische Illusionen die gesellschaftliche Realität ins Auge fasste. Im Jahr 1925 erhielt sie von Gustav Friedrich Hartlaub, dem Direktor der Kunsthalle Mannheim, ihren programmatischen Titel: Die Neue Sachlichkeit. Die Sonderausstellung im Städtischen Museum Engen zeigt einen Querschnitt zur Kunst der Neuen Sachlichkeit mit über 80 hochkarätigen Werken aus der Sammlung Frank Brabant.
»Brutalität! Klarheit, die wehtut – fang die rasende Zeit ein«, forderte einer der Protagonisten, der Politkünstler George Grosz. Einen übergeordneten Stil, der die Zeit in all ihren Facetten charakterisieren würde, gab es nicht – die explosive Vielfalt der künstlerischen Stile spiegelte die ganze Spannweite des kulturellen Aufbruchs und der individuellen Welterfahrungen. Dennoch gab es auch Verbindendes: Die meisten Werke zeichneten sich durch eine möglichst detailgenaue Wiedergabe der Realität aus. Neben einem strengen Bildaufbau dominierte die zeichnerische Linie das Bildgefüge, und häufig orientierte man sich an der Lasurtechnik der altmeisterlichen Malerei.
Es war die Zeit der Weimarer Republik zwischen Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise. Die 1920er Jahre waren keineswegs so golden, wie sie im Rückblick erscheinen. Die bürgerliche Mitte wurde von den extremen Parteien des linken und des rechten Spektrums, von Kommunisten und Nationalsozialisten zerrieben. Neben den wirtschaftlichen Verwerfungen schürte die Angst vor dem Bolschewismus das allgemeine Krisenbewusstsein. Der Versailler Diktatfriede wurde als nationale Demütigung empfunden, und auch die Dolchstoßlegende, die vom Versagen der militärischen Führung ablenken sollte, schadete der noch jungen Demokratie.
Der brisante kulturelle Reichtum der Weimarer Jahre war ein Tanz auf dem Vulkan, der 1933 ein jähes Ende fand. Die Künstler wollten avantgardistisch sein, unbestechlich und provokant und der Bourgeoisie den Spiegel vorhalten. Ob man die eklatante Ungleichheit von Arm und Reich aufs Korn nahm (Georg Scholz), die moderne Frau mit Bubikopf und Zigarette porträtierte (Hanna Nagel), einen Blumenstrauß magisch verklärte (Carlo Mense) oder den Sexualmord als brutales Verbrechen aufzeigte (Karl Hubbuch) – die Künstler teilten den gleichen unbestechlichen Blick, der die Würde der menschlichen Existenz vor Augen führte und auch die Härten des sozialen Zusammenlebens nicht aussparte.
Städtisches Museum
Engen + Galerie
Klostergasse 19
78234 Engen
www.museum-engen.de
Öffnungszeiten
Di – Fr: 14 – 17 Uhr
Sa – So: 11 – 18 Uhr
Das Museum ist an allen Feiertagen
von 11-18 Uhr geöffnet: 18.-21. April
(Karfreitag – Ostermontag) und 1. Mai