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14.06.2023 | QLT Redaktion
Sonderausstellung im Städtischen Museum Überlingen
April – 16. Dezember 2023
Die aktuelle Jubiläumsausstellung im Städtischen Museum Überlingen widmet sich gelösten und ungelösten Rätseln der regionalen und internationalen Kulturgeschichte. Mehr als zehn Sektionen widmen sich unter anderem folgenden Themen:
• Welches Geheimnis birgt der Überlinger Mumienschädel?
• Warum lächelt die Mona Lisa?
• Wie ist die rätselhafte Zeichensprache historischer Porträts zu deuten?
• Welche Botschaft verkörpert Raffaels berühmtes Engelpaar?
• Welche Ziele verfolgten die mysteriösen Illuminaten?
Diese und zahlreiche andere Fragen werden in der Ausstellung beantwortet, illustriert durch faszinierende, bekannte und unbekannte Originalexponate aus rund 4.000 Jahren. Die Titel der drei Hauptsektionen der Ausstellung lauten: »Ägyptomanie«, »Gesellschaft im Wandel« und »Vatikanische Rätsel«. Wie aktuelle Forschungen zeigen, gab es in Überlingen schon im frühen 18. Jahrhundert eine öffentliche museale Sammlung – eines der ältesten Beispiele seiner Art. Aus dieser Sammlung hat sich ein spektakulärer altägyptischer Mumienkopf erhalten, mit dem sich derzeit die Archäologen in naturwissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigen. Demnach handelt es sich bei dem Mumienkopf, der sich seit 1709 im Überlinger Rathaus befand, um den ältesten Mumienimport nach Süddeutschland.
Eine eigene Ausstellungssektion widmet sich mit vier Exponaten einer neuen Deutung der Mona Lisa. Das Gemälde wurde vom Florentiner Kaufmann Francesco del Giocondo in Auftrag gegeben, nachdem seine Gattin (Mona Lisa) einen Sohn gesund zur Welt brachte. Leonardos idealisiertes Bildnis einer erfolgreich gebärenden, lächelnden Mutter könnte daher auch – auf der allegorischen Bildebene – als Sinnbild des temporären und wechselhaften Glücks betrachtet werden, möglicherweise in Anlehnung an Petrarcas damals viel beachtete, erstmals 1492 gedruckte Schrift über Glück und Unglück (»De remediis utriusque fortunae«). Darin findet sich das Kapitel »Von einem fruchtbaren und wohlsprechendem Hausweib«, wie die Überschrift in der deutschen Übersetzung von 1532 lautet, das einen passenden literarischen Rahmen für ein Gemälde wie die »Mona Lisa« liefern konnte.
Eine weitere Sektion nimmt die »Sixtinische Madonna« ins Visier. Die zentrale Frage dabei lautet: Welche Botschaft versinnbildlichen die berühmten Engel in Raffaels »Sixtinischer Madonna«? Betrachten wir hierzu das Originalbild näher: Die beiden Engel im Vordergrund bemerken aufgrund ihrer unachtsamen Faulenzerei nicht, wie sich im Hintergrund ein Vorhang wie im Theater öffnet und die Muttergottes erscheint, gefolgt von einer großen Schar aufmerksamer Engel, die in Raffaels Bild nur schemenhaft angedeutet sind. Die Geste des linken Engels, das Kinn in die Hand zu stützen, ist ein in der Kunst des 16. Jahrhunderts verbreiteter gestischer und sinnbildlicher Ausdruck des Lasters »Otium«, des Müßiggangs. Die beiden Engel erinnern damit mahnend an zwei in Italien nachweislich zur Zeit Raffaels um 1500 gebräuchliche Spruchweisheiten: »Zu viel Müßiggang nährt die anderen Laster» und »Die Nachlässigkeit (Unachtsamkeit) und der Müßiggang ruinieren den Menschen«. Im deutschen Sprachgebrauch wurde eine sinngemäß ähnliche, aber noch drastischer formulierte Version kultiviert: »Müßiggang ist des Teufels Ruhebank und aller Laster Anfang.«
Drei Exponate der Ausstellung umkreisen die kurze, jedoch folgenreiche Geschichte der Illuminaten. Der Illuminatenorden wurde 1776 gegründet und bereits 1785 verboten. Dieser areligiöse »Orden« war ein Geheimbund, der von dem Gelehrten und »Illuminatengeneral« Adam Weishaupt ins Leben gerufen wurde. Die von der Obrigkeit mit Argwohn beobachtete Geheimbündelei der Illuminaten und Freimaurer im 18. Jahrhundert war das Phänomen einer intellektuellen Bewegung, deren Impulse noch im späten 18. Jahrhundert zur Entstehung studentischer Verbindungen führte, wie etwa zur Bildung der Gruppe der »Freien Männer« um den Philosophen Fichte in Jena, zu der zeitweise auch der junge Hölderlin als loses Mitglied gehörte. Auch Schiller sympathisierte mit diesen Geheimbünden. Einer der Hauptgegner der Illuminaten war der religiös orientierte esoterische Rosenkreuzerorden, dessen Mitglieder im Übrigen auch spiritistische Sitzungen abhielten, um die Geister von längst Verstorbenen zu beschwören – sogar den antiken Geist des Marc Aurel ließen die Rosenkreuzer 1781 in Berlin erscheinen, um den Prinzen zu beeindrucken, den späteren Preußenkönig Friedrich Wilhelm II.
Die Haltung der Illuminaten erwies sich zwar insgesamt als recht dogmatisch, aber gleichwohl als radikal modern, zukunftsorientiert und dem Geist der Aufklärung sowie den Idealen der allmählich aufkeimenden Revolution verpflichtet. Zu ihren Zielen zählte die Vision, »der Tugend und Weisheit in der Welt über Dummheit und Bosheit den Sieg zu verschaffen, die wichtigsten Entdeckungen in allen Fächern der Wissenschaften zu machen; ihre Mitglieder zu edlen, großen Menschen zu bilden und […] sie gegen Verfolgungen, Schicksale und Unterdrückungen zu schützen« (Adam Weishaupt). Möglicherweise haben die Illuminaten ihre Aktivitäten ein paar Jahre zu früh entfaltet, als es die politische und gesellschaftliche Gesamtlage noch nicht zuließ, dieser jungen und revolutionären Bewegung eine Chance zu geben. Am Ende siegten die im Kern zutiefst antimodernen Rosenkreuzer, doch sollte deren Triumphgefühl nicht lange anhalten.
Informationen:
Städtisches Museum Überlingen
Krummebergstraße 30,
88662 Überlingen
Tel. 07551-991079
www.museum-ueberlingen.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Samstag 9 – 12:30, 14 – 17 Uhr
April bis Oktober:
Sonn- und Feiertage 10 – 15 Uhr
Führungen:
Jeden Sonntag um 11:30 Uhr
Eintritt:
5 Euro | Ermäßigungen